Frank Wenzlow ist Sanitäter. Nach dem allzu frühen Krebstod seiner Frau, deren letzter Wunsch er nicht mehr erfüllen konnte, widmet er sich einem Projekt, das er „Sternenfahrten“ nennt. Dazu holt er Sterbende mit seinem Team aus Hospizen, Altenheimen oder zu Hause ab und erfüllt ihnen einen letzten Wunsch vor ihrem nahenden Tod. Alexander Krützfeldt, Journalist und Autor des vorliegenden Werks, begleitet ihn dabei.
Gleich zu Beginn wird der Leser mit den verschiedenen Arten des Todes vertraut gemacht, denn jeder Mensch stirbt dreimal: Als Erstes sterben wir den sozialen Tod. Der beginnt lange vor dem eigentlichen Sterben, stiehlt uns die Freude, die Rolle im Leben und die Privatsphäre. Der zweite Tod ist der des Geistes. Dieser ist gnädig, denn so vergessen wir schnell. Den körperlichen und damit eigentlichen Tod erleben die meisten nur unter Medikamenteneinfluss. Obwohl wir ihn daher persönlich kaum wahrnehmen, sofern er nicht mit Schmerzen einhergeht, ist es dieser Tod, den wir fürchten, wenn wir vom Sterben sprechen. Ihn erleben zudem die Angehörigen und von ihm werden sie erzählen.
Für die Recherchen war der Autor ein Jahr lang mit Frank Wenzlow auf seinen „Sternenfahrten“ unterwegs. In bewegenden Begegnungen mit Sterbenden hat er erfahren, was ihre Wünsche sind, was wir hoffen, vermissen und bereuen werden, wenn wir sterben. Die Hälfte der Menschen stirbt, erfährt der Leser, im Krankenhaus, 30 Prozent im Altersheim und nur 20 Prozent zuhause – zuhause zu sterben, könnte am Ende gar ein Hygienerisiko darstellen.
In 25 jeweils knapp gehaltenen Kapiteln wird von Lissy und Frank erzählt – vom ersten Kennenlernen bis hin zu Lissys letztem Atemzug, von dem Projekt der „Sternenfahrten“ und wie es dazu kam. Der Leser erfährt, wie Ärzte und Pfleger der Palliativmedizin, die die Sterbenden zu Hause betreuen, oder auch die Fahrer der Rettungswagen mit dem Thema Tod umgehen und damit zurechtkommen – und wie wertvoll Leute wie sie für jeden Sterbenden sind.
Im Verlauf werden die Geschichten von Patienten aus verschiedenen Lebenslagen und Altersgruppen erzählt. Es wird dem Leser anschaulich nahegebracht, wie Angehörige und Sterbende die Phasen des Abschieds und der Trauer durchleben: das Nicht-wahrhaben-Wollen, der Zorn, die Phase des Verhandelns, die Depression und schließlich die Phase der Akzeptanz. Die meisten beschließen ihren Abschied erst, wenn der Tod schon nahe ist, und dann ist es schon zu spät für ihre „Sternenfahrt“.
Angehörige wie Sterbende gehen in den berichteten Beispielen mit dem unaufhaltsamen Tod unterschiedlich um. Da sind zum einen etwa Angehörige, die ihre Lieben nicht gehen lassen wollen – für die Sterbenden schmerzlich und leidvoll. Zum anderen gibt es Sterbende, die ihre Beerdigung planen, Kleider, Blumen, Rede selbst aussuchen; sie gehen gut vorbereitet mit dem Gefühl, alles geregelt zu haben – „Der Abschied fällt leichter, wenn du weißt, da wird etwas zurückbleiben, das auch ohne mich funktioniert.“
Mein Fazit: „Letzte Wünsche“ behandelt nicht ohne Witz und Leichtigkeit ein brisantes Thema, das unsere Gesellschaft immer noch gerne verdrängt. Der Autor legt ein flüssig, mit leichter Hand geschriebenes, informatives und authentisches Werk vor für alle, die sich jetzt und heute über das Sterben und die letzten Wünsche Gedanken machen. Absolut empfehlenswert!
Alexander Krützfeldt. Letzte Wünsche. Was Sterbende hoffen, vermissen, bereuen – und was uns das über das Leben verrät.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2019, 2. Auflage. 240 Seiten.
ISBN 978-3-499-63402-4
Preis: 17,50 Euro.